Geschrieben von Rica Pahlke
Während Sex ohne Liebe für einige unvorstellbar ist, sehen andere in einer Freundschaft Plus den perfekten Kompromiss zwischen Beziehung und unverbindlichem Geschlechtsverkehr. Doch warum eigentlich? Könnte es vielleicht sein, dass die wegfallenden Verpflichtungen nicht nur bequem sind, sondern auch einen positiven Effekt auf unser Sexleben haben?
Funktioniert Freundschaft Plus überhaupt?
Ich war mir immer sicher, dass Sex-Beziehungen spätestens nach ein paar Monaten vorbei sind. Entweder, weil sie in eine feste Partnerschaft übergehen, oder, weil eine Person Gefühle entwickelt und die andere nicht. Genau davon ging ich auch aus, als ich die Erfahrung zum ersten Mal selbst machte: Dass ich nicht in der Lage bin, Sex und Liebe zu trennen und vermutlich diejenige sein werde, die aufgrund der körperlichen Nähe früher oder später mehr empfindet. Da wird was Ernstes draus oder ich ende mit gebrochenem Herzen - dachte ich zumindest. Im Endeffekt war die Freundschaft mit gewissen Vorzügen über ein Jahr Teil meines Lebens und hielt damit länger als meine letzte Beziehung. Keine Spur von Gefühlen und Liebeskummer.
Sex haben ja, Kaffee trinken nein
Sex ohne Liebe funktioniert also tatsächlich und ich konnte mich selbst vom Gegenteil überzeugen. Das Geheimnis? Ich glaube, wir waren beide genau das, was wir brauchten. Wir wollten uns nicht binden, sondern einfach nur eine gute Zeit zusammen haben - und uns vielleicht auch ein bisschen die Lockdowns versüßen. Obwohl ich mir zu Anfang nicht ganz sicher war, ob ich das kann, färbte die Einstellung meines Fuckbuddys irgendwann auf mich ab.
Vermutlich war es ein großer Vorteil, dass das Ganze nicht auf einer Freundschaft basierte und somit eher eine Bekanntschaft Plus war. Wir hatten keinerlei Berührungspunkte, bis auf unsere regelmäßigen Treffen im Bett. Es war nicht mehr und nicht weniger als das. Wir fanden uns gut genug, um miteinander zu schlafen, aber nicht gut genug, um morgens nebeneinander aufzuwachen und zusammen Kaffee zu trinken. Vielleicht funktionierte es gerade deshalb so lange: Weil wir keinen Grund hatten, uns zu enttäuschen und immer genügend Distanz, um nicht mehr in die Sache hineinzudenken. Und weil wir offen über das, was wir wollten, kommuniziert haben.
Haben wir außerhalb von Beziehungen den besseren Sex?
Diese Erfahrung belehrte mich nicht nur eines Besseren und ließ mich neue Seiten an mir entdecken, sondern hatte auch noch einen netten Nebeneffekt: Den besten Sex, den ich bis dato hatte. Zufall, dass ich den außerhalb einer Beziehung erlebte, die auf Gefühlen basiert? Oder ist Sex ohne Liebe wirklich der bessere Sex? Im Hinblick auf mein Liebesleben kann ich das definitiv bejahen - trotzdem bin ich mir sicher, dass die fehlenden Gefühle nicht der Grund dafür sind. Die Erklärung ist schlicht und einfach, dass ich nicht ausreichend mit meinen Ex-Partnern kommuniziert habe und offensichtlich erst eine Sex-Beziehung brauchte, um zu lernen, wie es sich anfühlt, im Bett den Kopf auszuschalten. Und wie gut es ist, über meine Bedürfnisse zu sprechen.
Beides fällt mir leichter, wenn ich nicht emotional involviert bin. Sex ohne Liebe ist unkompliziert: Ich mache mir weniger Gedanken, bin dadurch mehr bei der Sache und fühle mich selbstbewusster. Und das macht den Sex natürlich um einiges besser. Wer sich nur zum Vögeln trifft, ist sich nichts schuldig, außer gegenseitigen Respekt. Zwei Menschen schlafen miteinander, weil sie Lust auf den*die andere*n haben und nutzen den Moment voll und ganz aus. Vielleicht genau deshalb: Weil sie nie wissen, was morgen ist. Vielleicht trifft der*die andere seine*ihre große Liebe und verliert das Interesse. Vielleicht aber auch nicht.
Was wir für erfüllenden Sex wirklich brauchen
Wie gut Sex ist, hat nichts mit Gefühlen zu tun - er ist gut, solange wir miteinander reden. Deshalb ist es egal, ob zwei Menschen sich lieben, oder nur körperlich zueinander hingezogen fühlen. Wenn die Kommunikation zwischen ihnen stimmt, sie offen mit dem Thema umgehen, über ihre eigenen Bedürfnisse sprechen und auf die Bedürfnisse des jeweils anderen eingehen, kann das Ergebnis nur gut sein. Dass ich diese positive Erfahrung zum ersten Mal in einer Sex-Beziehung machte, ist reiner Zufall und hätte theoretisch genauso gut mit einer Person passieren können, für die ich etwas empfinde.
Falls euch interessiert, wie die Story endete: Ich wollte tatsächlich irgendwann mehr. Allerdings nicht von meinem Fuckbuddy, sondern vom Leben allgemein. Ich hatte Lust auf neue Erfahrungen und war ehrlich gesagt ein bisschen gelangweilt von unserem perfekten Sexleben. Ich weiß, ich weiß - ein echtes Luxusproblem. Was ich lernte, ist, dass körperliche und emotionale Befriedigung zwar zwei Paar Schuhe sind, sich aber doch gegenseitig bedingen. Reine körperliche Befriedigung ist für eine gewisse Zeit gut - sie hält zwei Menschen allerdings nicht dauerhaft zusammen. Emotionale Befriedigung hingegen kann das, funktioniert aber - zumindest für die meisten Menschen - auch nur langfristig, wenn die körperliche Befriedigung stimmt. Eins von beiden reicht nicht aus. Und das war am Ende okay für uns.
Freundschaft Plus: Drei Regeln, damit es funktioniert
Mittlerweile bin ich eine große Befürworterin von Sex-Beziehungen und kann sie euch definitiv empfehlen. Vielleicht findet ihr eines Tages auch euer perfektes Freundschaft-Plus-Match - wer weiß das schon. Damit ihr wisst, worauf es in diesem Fall ankommt, habe ich euch die wichtigsten Voraussetzungen zusammengefasst:
1. Kommuniziert offen miteinander
Wer Sex ohne Liebe will, sollte das deutlich sagen. Wir können nie einfach davon ausgehen, dass jede Person an einer Freundschaft Plus interessiert ist. Um auszuschließen, dass sich eine*r von euch mehr vorstellen kann, solltet ihr vorab über eure Absichten sprechen. Seid ihr beide einverstanden, steht dem Ganzen nichts mehr im Wege.
2. Legt gewisse Regeln fest
Wie oft wollt ihr euch sehen? Trefft ihr euch nur, um Sex zu haben, oder auch darüber hinaus? Übernachtet ihr beieinander oder ist euch das zu viel Nähe? Trefft ihr nebenbei auch noch andere Personen? Um Missverständnisse und ungleiche Erwartungen zu vermeiden, ist es hilfreich, diese Fragen im Vorhinein zu klären und ein paar Regeln festzulegen.
3. Seid ehrlich zueinander und zu euch selbst
Es ist nie ausgeschlossen, dass sich durch körperliche Nähe Gefühle entwickeln. Aus diesem Grund solltet ihr während der Sex-Beziehung immer ehrlich sein - sowohl eurem Fuckbuddy, als auch euch selbst gegenüber. Will eine*r von euch doch mehr, gilt es, das unbedingt anzusprechen und gemeinsam eine Lösung zu finden, damit niemand verletzt wird.
Rica Pahlke ist Online-Redakteurin für alle Themen rund um Dating, Liebe & Sex bei Cosmopolitan Deutschland.