Wie mein Coming-out als bisexuelle Frau mein Dating-Leben verändert hat

Von *Grace

Ich war etwa 21 Jahre alt, als ich mein Coming-out als bisexuelle Frau hatte, auch wenn ich mich schon seitdem ich 17 war Freund*innen gegenüber nach und nach (zumeist nach einigen Drinks) geoutet hatte. Der Großteil meiner Familie hat davon allerdings erst letztes Jahr erfahren, da war ich 25. Die Reaktionen waren überwiegend positiv; einige hatten schon immer vermutet, dass ich queer bin, aber es gab auch negative Reaktionen und einige wenige sagten sogar, sie würden nicht an Bisexualität glauben. Es war ein Coming-out, das eigentlich nicht besonders bemerkenswert war, aber genau das ist sicher auch ein Zeichen des Fortschritts. Genauso wie es beruhigend ist, dass viele meiner Freund*innen ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Doch meine ersten Schritte als bisexuelle Frau in der Dating-Welt waren wie in ein Wespennest zu stechen, mit vielen äußerst schmerzhaften Stichen.

Trotz der Tatsache, dass sich der Großteil junger LGBTQIA+-Menschen als bisexuell identifiziert (75 % der Befragten hatten dies 2019 im Youth Risk Behavior Survey der amerikanischen Gesundheitsbehörde CDC angegeben), werden wir in Dating-Kreisen bisher immer noch nicht entsprechend akzeptiert. Mal gelten wir als zu heterosexuell, mal als zu homosexuell. Seit dem beängstigenden Moment vor einigen Jahren, als ich auf meinem Dating-Profil angab, an allen interessiert zu sein, hat sich mein Liebesleben komplett verändert. Zum Guten und zum Schlechten...

Cis-Männer fragen mich öfter nach einem Dreier, als wie es mir geht

Man würde denken, dass bisexuelle Frauen im Jahr 2021 in den Augen anderer mehr seien als menschengroße Sexspielzeuge und wahrgewordene Fantasien, doch dem ist nicht so. Meine häufigste Interaktion als bisexuelle Frau in Dating-Apps läuft folgendermaßen ab: Ich chatte mit jemandem, wir verstehen uns gut, die andere Person schlägt ein Treffen vor, aber sobald ich zusage, heißt es, dass der*die Partner*in der anderen Person dazustoßen wird. Diese Paare suchen nach einem Einhorn, das heißt nach einer bisexuellen Frau, die mit einem Paar bestehend aus einem heterosexuellen Mann und einer bisexuellen Frau Sex hat. Das ist ja prinzipiell OK, denn erstens ist es nicht mein Job, sexuelle Präferenzen zu verurteilen, und zweitens stehe ich dem nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber. Was aber nicht OK ist, und das habe ich schon von anderen bisexuellen Frauen gehört, ist die versuchte Täuschung. Wenn wir uns auf unserem Profil nicht ausdrücklich als Einhorn präsentieren oder sagen, dass wir nach einem Dreier suchen, ist es sehr schmerzhaft, wenn andere einfach davon ausgehen, dass wir dazu bereit sind. Auch wir wünschen uns eine ehrliche, aufrichtige Beziehung. Was wir nicht suchen, sind Paare, die experimentieren wollen.

Ich fühle mich endlich frei genug, um meine Sexualität zu erkunden

Online-Dating war für mich immer einfacher als Dating IRL. In Bars und Clubs, die nicht ausschließlich queer sind, ist es schwierig, andere anzusprechen, ohne ihre sexuelle Orientierung zu kennen. Dating-Apps bieten in dieser Hinsicht definitiv mehr Klarheit. Außerdem scheint mir die Bedrohung durch Gewalt dort weniger präsent, weshalb ich mich dort sicherer fühle, wenn ich mich als der Mensch präsentiere, der ich wirklich bin.

Als Frau habe ich das Gefühl, als sei alles, was mir über Beziehungen vermittelt wurde – sei es durchs Fernsehen, durch Filme, durch die Schule oder durch Musik – auf heteronormative Beziehungen ausgerichtet gewesen. Ich weiß, wie ich Signale von Männern erkenne. Ich weiß, wie ich mit Männern flirten kann. Aber wie Dating mit Frauen geht, das musste ich mir selbst beibringen, durch jede Menge Ausprobieren. Eine Art Homeschooling. In Dating-Apps sind die Intentionen der anderen klarer. Wenn ich mich von jemandem angezogen fühle, swipe ich nach rechts. Wenn es der anderen Person auch so geht, swipt sie nach rechts – eine vereinfachte Version der schwammigen Signale aus der Offline-Welt.

Ich muss die Erwartungen anderer nicht bestätigen

Bisexuell zu sein heißt auch, ständig infrage gestellt zu werden: „Bist du wirklich bisexuell oder eigentlich nur eine Lesbe, die das nicht zugeben will?“, „Du erwischst nur immer die falschen Männer, der Richtige kommt schon noch“, „Ich kann verstehen, dass man sich sexuell zu einer Frau hingezogen fühlt, aber ich könnte nie eine Frau heiraten“, „Aber du bist doch so feminin?“. Wie oft musste ich mir diesen Müll schon anhören. Aber irgendwann habe ich realisiert, dass ich es niemandem schuldig bin, bestimmte Erwartungen, was Bisexualität ausmacht, zu bestätigen. Bisexualität kennt keinen bestimmten Look. Wir reden hier von einer sexuellen Orientierung und nicht von einem Trend. Klar gibt es Memes und TikTok-Videos zu bisexuellen Erfahrungen, mit denen ich mich identifizieren kann, aber geteilte Erfahrungen sind nicht das Gleiche wie Klischees. Ich muss keine Converse tragen oder einen Nasenring haben. Ich muss nicht ausschließlich feminine Männer und maskuline Frauen daten. Ich kann genauso auftreten, wie ich bin, und das ist queer genug, weil ich nun einmal queer bin. Diese Tatsache steht ganz einfach nicht zur Debatte.

Mit Authentizität bessere Partner*innen finden

Nach vielen toxischen und schmerzhaften Versuchen befinde ich mich inzwischen in einer liebevollen Beziehung. Erreicht habe ich das glaube ich vor allem, weil ich zu 100 Prozent als Ich in diese Beziehung gegangen bin und mich nicht hinter der Angst versteckt habe, nicht akzeptiert zu werden. Ich war vom allerersten Kontakt an ehrlich, statt mit einem Fuß schon wieder aus der Tür zu sein. Auf meinem Weg dorthin musste ich einige nicht so tolle Reaktionen zu meiner Bisexualität einstecken, aber so schmerzhaft diese Reaktionen auch waren, haben sie mir langfristig irgendwie geholfen. Jetzt bin ich nämlich dazu in der Lage, homophobe und intolerante Menschen frühzeitig auszusieben.

Das Coming-out als bisexuelle Frau in meinen Zwanzigern hat mein Dating-Leben bis ins letzte Detail verändert, mein ganzes Leben eigentlich. Als Teenagerin habe ich mich nie bisexuell genug gefühlt, auch wenn die Gefühle ganz klar da waren. Außerdem wusste ich nur aus sehr binärer Perspektive, was es heißt, bisexuell zu sein. Für mich bedeutet meine Bisexualität, dass ich dazu in Lage bin, Menschen jedes Geschlechts zu lieben, und dass ich nicht mit unzähligen Frauen schlafen muss, um mir das Label queer zu verdienen. Bisexualität lässt sich nicht quantifizieren und nur ich selbst habe das Recht, meine Sexualität zu definieren. Es ist das Label, das sich für mich am besten anfühlt, nachdem all die anderen, die ich im Laufe der Jahre ausprobiert habe, irgendwie nicht gepasst haben. Ich durfte großartige Menschen daten. Ich habe gelernt, mich selbst zu lieben, während ich gelernt habe, meine Sexualität zu akzeptieren. Und es ist mir gelungen, mich von den Fesseln der Heterostrukturen zu befreien, mit denen ich aufgewachsen bin.

Es gibt keinen festen Zeitrahmen, keine Fristen, um die eigene Sexualität zu erkunden. Sexuelle Orientierungen sind fließend und unsere Sexualität gehört einzig und allein uns selbst. Nie solltet ihr euch unter Druck gesetzt fühlen, euch zu outen, bevor ihr dazu bereit seid. Und wenn ihr soweit seid, tut es in eurem Tempo. Wir alle haben es verdient, zu lieben und geliebt zu werden.